Viel Gelächter beim Wiedersehen mit dem „Mädchenzwinger“
Als wir vor 50 Jahren das Goethegymnasium
als einer der letzten reinen Mädchenjahrgänge verließen, reimte unsere Kunst- und Lieblingslehrerin Frau Jacobi:
„Seht die schönen jungen Dinger, die man heute hier entlässt.
Dort, in jenem Mädchenzwinger hielt man sie neun Jahre fest.“
All die Jahre seither hatten wir keine Sehnsucht nach unserer alten Schule – im Gegenteil! – und waren mit Ausbildung, Studium, auch Promotion, Familiengründung und Berufstätigkeit beschäftigt. Wir alle konnten mit unserem Abitur etwas anfangen und Berufe erlangen, mit denen wir für unseren Lebensunterhalt selbst sorgen konnten, auch wenn Familie und Beruf damals noch schwieriger zu vereinbaren waren als heute. Einige von uns konnten mehr erreichen, als unsere Klassenlehrerin wohl jemals gedacht hätte, und manche kamen weit in der Welt herum, nicht zuletzt als Kapitänin auf großer Fahrt.
Aber jetzt, im Ruhestand und zum fünfzigjährigen Abi-Jubiläum, waren wir doch auf unsere alte „Wirkungsstätte“ neugierig und freuten uns, als Herr Giere, der stellvertretende Schulleiter, uns anbot, sie uns zu zeigen. Was für ein Unterschied zu damals! Die farbenfrohe Gestaltung der Flure und Klassenräume, deren Ausstattung mit moderner Technik, der Einsatz von notebooks, die Präsentation gelungener Schülerkunstwerke an den Wänden, die einladende Mensa und die moderne Sporthalle, der Anbau des Südflügels – alles machte einen ansprechenden und gepflegten Eindruck auf uns. Auch ein Blick auf das Poster mit den Portraits der Lehrkräfte machte uns fast neidisch. Was für ein junges Kollegium heute unterrichtet!
Auch wenn unser eigener letzter Klassenraum noch nicht modernisiert ist, lud er uns zum Verweilen ein und weckte viele Erinnerungen, die wir Herrn Giere unter großem Gelächter erzählten. Überhaupt – Herr Giere! Hätten wir doch ihn damals in Latein gehabt! Wir hätten vielleicht doch etwas gelernt, und bestimmt mit viel mehr Spaß! Zum Beispiel bei der Übersetzung von Ovids Gedichten …
Als wir nach einer Tasse Kaffee zum letzten Mal aus dem Goethegymnasium „entlassen“ wurden (in den Innenhof), konnten wir dem ehemaligen „Mädchenzwinger“ doch nicht entkommen, denn alle Außentüren waren am späten Freitagnachmittag schon sicher verschlossen. Herrn Giere sei Dank, dass er uns befreit und uns einen höchst interessanten und vergnüglichen Nachmittag geschenkt hat!